In der Nacht zum 27. Dezember 1985 erschlug ein Unbekannter Dian Fossey mit einer Machete. Die Gorilla-Forscherin bewohnte zu diesem Zeitpunkt eine Hütte im Virunga Nationalpark. Fast 20 Jahre ihres Lebens widmete sie äußerst kompromisslos und mit all ihrer Kraft den Menschennaffen. Ich liebe ihr Buch „Gorillas im Nebel“ (OT: gorillas in the mist), denn sie beschreibt die einzelnen Charaktäre und Verhaltensweisen „ihrer“ Berg-Gorillas so anschaulich, dass ich ihre Leidenschaft für die Tiere beim Lesen fast greifen konnte.
Nyirmachabelli
Natürlich war die alleinstehende, kinderlose Dian, die offenbar sehr viel Durchsetzungsvermögen und eine Vorliebe für Zigaretten und Scotch mitbrachte, den meisten Leuten – Afrikanern, Amerikanern wie Europäern – unheimlich, als sie vor 50 Jahren die Virunga-Vulkane besiedelte. Mit ihrem harschen Wesen konnte sie sicherlich nicht so viele Herzen gewinnen wie Layd Di. Die Ruander nannten sie Nyirmachabelli, was soviel heißt wie „die alte Frau, die einsam im Wald lebt“. Über ihre einzigartige Fähigkeit das Vertrauen der Berg-Gorillas zu gewinnen und persönliche Beziehungen zu den Tieren aufzubauen wurden bald geschmackvolle Witze, wie man sie aus Stammtischgesprächen von Wolle und Uwe kennt, gerissen. So machten Zoten à la „Ihren Lieblings-Gorilla Digit würde sie am liebsten heiraten, wenn sie könnte“ und dergleichen die Runde.
Ich glaube sofort, dass Dian Fossey im Umgang eher schwierig war. Sie lebte sehr bescheiden, bezahlte sich aus den Spendengeldern ihrer Forschung kein Gehalt und hatte offenbar einen sehr schwarzen, ironischen Humor. Sie scheint sehr zweckorientiert gewesen zu sein und erwartete dergleichen wahrscheinlich auch von ihrem Umfeld. Aus ihrem Buch kann man heraus lesen, dass sie Bequemlichkeit und Ignoranz nicht ausstehen konnte, ja zutiefst verachtete. Sie teilte die Menschen generell in „gut für Gorillas“ und „schlecht für Gorillas“ ein. Dementsprechend verhielt sie sich ihnen gegenüber wohl auch. Mit aus ihrer Sicht zimperlichen Studenten, rücksichtslosen Journalisten oder Touristen und unverlässlichen Parkwächtern eckte sie gerne einmal an. Korrupte Beamte und Regierungsvertreter bekamen bei Zeiten ungefiltert ihren geballten Zorn zu spüren.
Keine Gnade für Wilderer
Richtigen Hass entwickelte sie gegen die Wilderer im Gebiet. „Sie konnte so böse werden, wenn jemand den Gorillas nicht wohlgesonnen war. Die Leute fürchteten sie“, erzählt Naturführer François Bigirimana, der sie noch persönlich kennengelernt hat, im Spiegel-Interview. Die ansässigen Batwa waren aus ihrer Tradition heraus Jäger und Sammler. Ihre Jagdgebiete wurden über die Jahre immer kleiner, aufgrund von Rodungen für Ackerflächen und Weideland. Als das Virungagebiet für die Gorillas zum Naturschutzgebiet ausgerufen wurde, schrumpfte auch die Lebensgrundlage für die Batwa. Das Jagen ließen sie dennoch nicht sein. Wilderer legten ihre Fallen in der Regel um Buschböcke, Ducker und Buschschweine, wegen ihres Fleisches zu fangen. Leider zogen sich auch oft Gorillas und andere Tiere schreckliche Verletzungen in den Draht-Schlingen oder mit Bambusstöcken gespickten Fallgruben zu. Fossey und ihre Camp-Mitarbeiter machten über die Jahre hinweg immer wieder aufs neue so viele Fallen wie möglich unschädlich.
Dian Fossey hatte sehr wohl Verständnis dafür, dass sich die Menschen in Ruanda aus Armut eher weniger aus dem Verbleib von Wildtieren oder der Natur um sie herum machten, sondern ihr Vieh weiden und Kartoffelfelder bestellen wollten. Das ist Schwarz auf Weiß in ihrem Buch zu lesen. Dennoch sah sie es trotzdem als ihre Pflicht an, jede Bedrohung, gleich ob Wilderer, Viehhierten oder Touristen von ihren Gorillas fernzuhalten – koste es, was es wolle. Als sie miterlebte, wie ganze Gorilla-Gruppen ermodert wurden, weil Wilderer die Jungtiere fingen um sie weiter zu verkaufen – unter anderem an den Kölner Zoo – kannte sie keine Gnade mehr.
Nachdem einige ihrer Schützlinge, darunter ihr Liebling Digit, von Wilderern getötet worden waren, machten sie und ihre Mitarbeiter regelrecht Jagd auf die Batwa-Jäger. Fossey bestrafte Gefangene gleich welchen Alters teilweise extrem hart. Wir reden hier von Einschüchterung, Demütigung und auch körperlicher Misshandlung bis hin zu Foltermethoden wie Scheinerhängen als Racheakt und auch als Abschreckung für andere Wilderer. Damit schoss Dian Fossey bestimmt über das Ziel hinaus und ich möchte ihr Verhalten auch nicht gut heißen, gebe aber zu bedenken, dass die Gorillas für die Forscherin wie Familienangehörige waren. Sie musste über Jahre hinweg beobachten, wie viele ihrer schwarzbehaarten Freunde wegen der Fallensteller sterben mussten. Auf die Frage, warum sie so dermaßen aggressiv gegen die Wilderer verfuhr, soll sie geantwortet haben: „Weil sie sonst keiner bestraft“.
Ihren Erfolg erlebte sie nicht mehr
Ihr Freund und Mitarbeiter Nemeye sowie der Sohn ihres ärgsten Feindes, des Wilderers Munyarukiko, sind sich heute darin einig, dass durch Fosseys Einsatz nicht nur die Population der Berg-Gorillas angestiegen ist, sondern auch die Ängste der ansässigen Menschen vor den Gorillas zerstreut werden konnten. „Sie lehrte uns viel. Unter anderem die Gorilas zu lieben“, sagt Nemeye in der ZDF-Doku „Die letzten Tage einer Legende: Dian Fossey“ von 2011. Die Leipziger Primatologin Winnie Eckardt fügt im Spiegel-Interview hinzu: „Ihr ist es zu verdanken, dass die Berggorillas die einzigen Menschenaffen der Erde sind, deren Population wächst.“
Dian Fossey kam 1967 in den Virunga Nationalpark, dessen Gebiet sich am Dreiländereck Kongo, Uganda und Ruanda befindet, um die erste Langzeitstudie an Berg-Gorillas vorzunehmen. Zwischen Mount Visoke und Mount Karisimbi errichtete sie in Ruanda die Forschungsstation Karisoke und lebte dort bis zu ihrem Tod. Die Station gibt es nicht mehr, wohl aber den Gorillafriedhof, auf dem auch Dian Fossey am 31. Dezember 1985 neben ihrem Freund Digit beigesetzt wurde.
Ihr Buch „Gorillas im Nebel“ wurde 1988 von Michael Apted verfilmt mit Sigourney Weaver in der Hauptrolle.
nyirmachabelli by ninscha törtl/ninschart/acryl auf leinwand/150cmx90 cm