Die Magd drückt den sich erbittert wehrenden Holofernes in die Kissen, während Judith mit hochgekrempelten Ärmeln und dem Blick einer fachkundigen Metzgerin seinen Kopf vom Rumpf säbelt – nein, das Gemälde ist nichts für zarte Gemüter. „Giuditta decapita Oloferne“ ist das bekannteste Bild von Artemisia Gentileschi. Sie gehört zu den leider sehr, sehr wenigen Künstlerinnen, die im italienischen Barock namentlich bekannt sind.
Die Geschichte des Bildes ist folgende: Nebukadnezar, König der Assyrer, gedenkt ein Weltreich als Alleinherrscher aufzubauen. Also dringt sein Oberbefehlshaber Holofernes mit einer Armee nach Judäa vor. Das Örtchen Betulia soll die Truppen am Gebirgspass, der Pforte ins Landesinnere, aufhalten. Holofernes belagert Betulia mit dem Ziel, es auszuhungern. Da tritt die schöne und wohlhabende Witwe Judith auf den Plan. Sie stattet dem Feldherrn im feindlichen Lager einen Besuch ab, wobei dieser sofort in Leidenschaft entflammt. Nach dem Nachtmahl will er sich ihrer bemächtigen, trinkt aber so viel Wein, dass die listige Judith leichtes Spiel mit ihm hat. Als sich sein Gefolge diskret zurückzieht, greift sie nicht nur die Gelegenheit, sondern auch den Trunkenbold beim Schopf und enthauptete den verdutzten Militär. Als Holofernes Kopf tags drauf von der betulischen Stadtmauer baumelt, zieht sich Nebukadnezars Heer zurück.
In Artemisias Werk stehen Rächerinnen häufig im Fokus. Sie malt neben Judith, wie Jael dem Feldherrn Sisera einen Nagel in den Kopf schlägt oder Salome den Kopf des Johannes präsentiert. Diese doch brutalen Motive entsprachen dem damaligen Zeitgeist, wer aber die Geschichte der Malerin kennt, könnte ihr Werk auch als logische Konsequenz verstehen. 1611 wird Artemisia Gentileschi im Alter von 18 Jahren von ihrem Zeichenlehrer Agostino Tassi vergewaltigt. Vor Gericht glaubt man ihm, der die Tat leugnet. Die „geschändete Jungfrau“ heiratet gezwungenermaßen Pietro Vincenzo Stiattesi und verlässt ihre Gebusrtstadt Rom, um Lästereien zu entfliehen. Sie malt fortan unter dem Pseudonym Lomi.
Artemisia Gentileschi lebt von 1593 bis vermutlich 1653. Als Tochter des Malers Orazio Gentileschi wird das Mädchen vom Vater unterrichtet. Sie gilt als einzige würdige Nachfolgerin des Licht- und Schattenmeisters Caravaggio, der stirbt als sie erst 17 Lenze zählt. Sie ist bereits zu Lebzeiten eine sehr gefragte Künstlerin und wird als erste Frau Mitglied in der Accademia del Disegno. Auch Michelangelo lässt sich von Artemisia einen weiblichen Akt für seinen Palast malen. Ihre Werke erzielen teilweise höhere Preise als die ihrer männlichen Kollegen. In einem Brief an einen Auftraggeber schreibt sie: „Ich werde zeigen, was eine Frau kann. Sie werden den Mut Cäsars in der Seele einer Frau finden.“
Giuditta decapita Oloferne/Artemisia Gentileschi/Öl auf Leinwand/Galleria degli Uffizi, Florenz